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Reiseberichte aus dem Sanella-Album Mittel- und Südamerika |
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Du kannst Dir nicht vorstellen, wie unterschiedlich die Landschaften hier sind - wie übrigens überall in Südamerika. Wir sind z.B. von Caracas mit dem Auto zum Haupthafen, nach La Guaira, gefahren. Du denkst, Du kommst in eine andere Welt. Eine richtig trostlose Gegend: nackte, kahle Felsen, Dornbüsche und Kakteen. ,,El Inferno" - die Hölle, nennen es die Venezolaner. Weiter landein, vor allem in den Tiefebenen des Orinocostromes, kommt man in die Lianos, unendliche Flächen mit mannshohem Gras, Palmen und Baumgruppen. Auf den Ebenen weiden riesige Viehherden. Als wir hinkamen, war gerade Trockenzeit. Aber die indianischen Viehhirten erzählten uns, daß sie, wenn die Regenzeit kommt, mit ihren Herden meilenweit wandern müssen, weil dann ungeheure Flächen überschwemmt werden. Diese Hirten sind noch halbwilde Indianer. Einer führte uns zu seinem ,,Haus" und bot uns einen Trunk aus vergorenen Palmensaft an. Ein Bauernhaus ist das nicht, eigentlich nur ein Strohdach auf einem Gitterwerk von Pfählen. Bloß an der Seite, von wo der Wind am stärksten bläst, sind sie mit Lehm verschmiert. Hängematten sind drinnen aufgespannt. Eine Vorratstruhe, ein Mahlstein, ein paar Töpfe - das ist alles. Die ,,Küche" ist draußen unterm Schattenbaum. Dort brennt ein offenes Feuer. Ein Paar Hühner, Enten, Hunde und Schweine laufen umher, alle mager und dürftig - und ringsum meilenweite Einsamkeit. |
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Das ist das andere, das noch menschenleere Venezuela. Jetzt verstehe ich auch, warum die Regierung in Caracas Siedler aus Europa ins Land holen will. Die letzten noch ganz wilden Indianer sollen in den südlichen Bergen leben. Sie haben sich vor langer Zeit schon zurückgezogen. In Venezuela hat es nämlich einen schwunghaften Sklavenhandel mit Indianern gegeben. Und leider waren daran auch Deutsche beteiligt. Du kennst doch aus der Geschichtsstunde die berühmten Handelshäuser der Fugger und Welser in Augsburg. Die Welser hatten dem König von Spanien und deutschen Kaiser, Karl V., Geld geliehen. Der verpfändete ihnen dafür das Land von Venezuela. Die Kaufherren rüsteten kleine Expeditionskorps unter Führung von Deutschen aus, um ins Innere des Landes vorzudringen und die sagenhaften Goldschätze zu finden. Aber die Unternehmungen scheiterten fast alle. Man fand keine Schätze. Dafür brachte der Handel mit Indianersklaven guten Gewinn. Zu je 50 Dukaten wurden die gefangenen Indianer verkauft. Außerdem hatten sich die Welser verpflichten müssen, auch noch viertausend Negersklaven aus Afrika einzuführen. |
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Aber all die Sklavenjagden reichten nicht aus, um genügend Arbeitskräfte zu bekommen. Nach 28 Jahren war die Herrschaft der deutschen Kaufleute zu Ende. - Lieber Jupp! Fällt Dir an dem Namen des Landes etwas auf? Venezuela! Das heißt "Klein=Venedig". Als die ersten Europäer an die Küste kamen, sahen sie dort die Hütten der Indianer auf Pfahlrosten errichtet, ähnlich wie die Paläste in der italienischen Lagunenstadt. Daher der Name. Eben kommt Onkel Tom aus der Stadt ins Hotel zurück - wir wohnen in einem richtigen Hochhaus=Luxushotel. Welch ein Gegensatz zu den primitiven Indianerhütten! Morgen wollen wir nach Brasilien starten. "Und zum Strom aller Ströme", fügt Fernandez hinzu, ,,zum Amazonas." ,,Wieso Strom der Ströme?" ,,Na, du wirst ihn ja sehen!" meinte Ferdinand. ,,Gegen den ist die Weser ein winziges Rinnsal." ,,Dringen wir da auch mal richtig in den Urwald vor - auf Jaguarjagd?" fragte ich Onkel Tom. Der nickt und kaut seinen Kaugummi weiter: ,,That's okay!" Jupp, wenn ich einen Jaguar erlege, kriegst Du das Fell! |
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